Ich sage es seit Jahren – und die Praxis bestätigt es mir täglich: Ohne psychologische Sicherheit wird jede Veränderung zur Show ohne Wirkung. Egal ob Scrum, Kanban oder Kulturwandel: Wenn Menschen nicht offen aussprechen können, was sie denken, bleiben die wirklich wichtigen Themen unter dem Teppich.
Für die aktuelle Podcast-Episode hatte ich Dr. Joachim Maier zu Gast (Institut für Angewandte Psychologie, Zürich). Er hat das neue Buch „Psychologische Sicherheit durchgespielt“ geschrieben und arbeitet seit Jahren an einem Punkt, den ich absolut teile: Psychologische Sicherheit ist messbar, trainierbar – und Führungsarbeit.
Was psychologische Sicherheit wirklich ist (und was nicht)
Definition: Ein Gruppenklima, in dem Menschen die „Elefanten im Raum“ ansprechen können – ohne Angst vor Beschämung, Ausschluss oder Sanktionen.
Wichtig:
- Es geht nicht um Harmonie um jeden Preis.
- Konflikte sind nötig – nur brauchen sie einen sicheren Rahmen, damit Reibung zu Lernen und Leistung führt statt zu Drama.
Die drei Hebel, an denen du wirksam drehen kannst
Joachim fasst es folgendermaßen zusammen:
- Angstfreie Kommunikation – heikle Punkte können adressiert werden.
- Gleichberechtigte Redeanteile – niemand dominiert, niemand verschwindet.
- Soziale Sensibilität – ich nehme wahr, wie es den anderen geht, und passe mein Verhalten an.
Diese drei Hebel lassen sich in Meetings sehen, trainieren und reflektieren. Genau deshalb sind sie so praktisch.
Messen: Einfach anfangen – aber richtig
Vergiss akademische 40-Fragen-Monster. Starte mit einer Skalenfrage (1–10):
„Ich fühle mich in diesem Team sicher.“
Daumenregel für die Auswertung:
- < 6 → prekär unsicher (hol dir Unterstützung)
- 6–8 → Graubereich (Self-Service mit klaren Routinen möglich)
- > 8 → stark (selbstorganisiertes Weiterentwickeln)
Ergänzend kannst du die bekannten Edmondson-Items nutzen und zwei Signale aus Googles Project Aristotle beobachten: Redeanteile & soziale Sensibilität.
Das Mess-Paradox – und wie du es löst
Je unsicherer das Umfeld, desto unzuverlässiger die Selbstauskunft. Meine Empfehlung (und Joachims auch): Fragebogen + Team-Challenge kombinieren – und in Echtzeit auswerten. Beobachtetes Verhalten schlägt Gefühl.
Challenges, die wirken (und sofort gehen)
Du brauchst keine Raketenwissenschaft. Nimm eine Aufgabe, die nur gemeinsam lösbar ist – und werte gezielt auf die drei Hebel aus.
Beispiele:
- Helium-Stab / Hula-Hoop ablegen: Klassiker, zeigt sofort Dominanz, Exklusion, Nervosität.
- LEGO-Challenge: Kurze Bau-Aufgabe mit Zeitdruck – beobachte Redeanteile, Einbindung, Führungsverhalten.
- Die „Arche“ (Open Source von Joachim): Online-Challenge, die psychologisch sichere Kreise in Teams sichtbar macht. Extrem hilfreich, wenn ihr Klarheit wollt (Stichwort: Integratoren vs. Satelliten).
Pro-Tipp: Werte jede Challenge entlang der Fragen aus: Wer redet wie viel? Wer moderiert? Wer fällt raus? Wie reagiert die Führungskraft unter Druck?
Führungsarbeit: Innere Sicherheit zuerst
Unbequeme Wahrheit: Führungskräfte sind oft der Flaschenhals.
Wenn du unter Stress in Fight/Flight/Freeze/Fawn rutschst, formt das das gesamte Teamklima.
Dein Startpaket:
- Window of Tolerance kennen (wann kippst du? Woran merkst du’s?).
- Mikro-Interventionen: Atem (4-7-8), kurzer Bodyscan, Name-it-to-tame-it („Ich merke, ich werde eng.“).
- Routinen vor heiklen Meetings: 2 Minuten Atem + Ziel klären („Heute trainieren wir Redeanteile – nicht Lösungen.“).
Ressourcen, die ich empfehle
- Buch: Psychologische Sicherheit durchgespielt (mit praktischen Downloads).
- Arche-Challenge: Open-Source-Diagnose (Website: arks.ch).
Wenn du Unterstützung für Messung, Challenges oder Moderation möchtest: Melde dich. Ich begleite dich gern – damit aus gutem Vorsatz echte Teamleistung wird.



